9. September 2017
Veranstaltung „Yalla, wir wählen Demokratie!“
Rede von Gün Tank, Geschäftsleiterin
Sehr geehrte Damen und Herren,
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
Herzlich Willkommen zu unserer Veranstaltung.
„Yalla, wir wählen Demokratie!“. Im Titel der Veranstaltung verbergen sich
mehrere Botschaften.
Die ERSTE vorweg: Ja, bitte verstehen Sie den Titel der Veranstaltung als
Aufforderung. Die die wir bereits das Privileg haben uns an der kommenden
Bundestagswahl zu beteiligen, müssen dafür sorgen das rechtspopulistische und –
extreme Stimmen von uns überstimmt werden. Mehr denn je wird in diesen Tagen
deutlich: Rechte sind nicht nur gegen Migranten. Sie zielen auf die Prinzipien und
Grundwerte der Demokratie allgemein. Geben wir ihnen keine Chance. Nicht
einen Fußbreit. Yalla, gehen wir wählen!
Aber verstehen Sie den Titel der Veranstaltung auch als einen Aufruf der
Solidarität. In dem – die die wählen dürfen und die die es nicht dürfen- sich
gemeinsam für eine pluralistische und kosmopolitische Demokratie stark machen
und für das Wahlrecht aller hier lebenden Menschen.
Last but not least begreifen Sie unseren Titel auch als eine politische Forderung.
Demokratie braucht die Beteiligung aller Menschen. Die Ansichten von
Minderheiten und Marginalisierten werden aber in Deutschland nicht repräsentativ
wahrgenommen. Dabei erkennt man die Qualität einer Demokratie immer am
Umgang mit all Ihren Menschen.
Die Philosophin Şeyla Benhabib beschrieb es in einem Interview für „der Freitag“
vor vielen Jahren wie folgt, ich zitiere: „Der Kern der kosmopolitischen Debatte
heute bezieht sich auf demokratische Beteiligung. Kants Unterscheidung zwischen
dem Gastrecht und dem Besuchsrecht ist nicht mehr vertretbar. Der Gast ist
potentiell immer ein Mitbürger. Es muss Institutionen in einer Gesellschaft geben,
die es dem "Fremden", dem "Anderen" ermöglichen, Mitglied zu werden. Dabei
geht es nicht um eine Welt ohne Grenzen und auch nicht darum, dass es
überhaupt keine Bestimmungen geben darf. Bestimmungen müssen aber immer
so menschenrechtskonform und demokratiefreundlich wie möglich formuliert
sein.“
Genau diese politische Forderung nach Zugängen in die Gesellschaft, steht im
Zentrum der Arbeit der Neuen Deutsche Organisationen, kurz NDO: Wer oder Was
ist die NDO?
Die Neuen Deutschen Organisationen sind ein bundesweites Netzwerk von
Vereinen und Initiativen, das sich für Chancengerechtigleit und Teilhabe von
Menschen mit Einwanderungsgeschichte, Menschen of Color und Schwarzen
Menschen einsetzt. – Kurz gesagt: Ein Netzwerk rassimusbetroffener Menschen,
welches sich für Partizipation stark macht.
Anfang 2015, in der Hochphase der „Pegida“-Debatte, trafen sich erstmals in
einem bundesweiten Kongress bis zu 80 postmigrantische Initiativen. Heute sind
im Netzwerk mehr als 120 Organisationen und Initiativen vertreten. Seit Mai diesen
Jahres haben wir eine Geschäftsstelle in Berlin.
Das Ziel der NDO ist es Schwarze Menschen, Menschen of Color, und Menschen
mit Einwanderungsgeschichten sichtbar zu machen: Mit Veranstaltungen,
Pressegesprächen und Positionspapieren setzen wir uns von Berlin aus für eine
vielfältige Gesellschaft ein, bringen uns in Debatten ein und bieten ein
Expert*innenpool für Medien, Verwaltung, Politik, Stiftungen und andere.
- Wir treten ein für Chancengerechtigkeit und reden über Rassismus und Teilhabe und nicht über „Integrationsmaßnahmen“.
- Wir engagieren uns für eine partizipative Demokratie. Auf der Grundlage von Werten wie Gerechtigkeit und Solidarität. Hierfür arbeiten wir gemeinsam mit allen, die unser Anliegen teilen und gegen rechtspopulistische und –extreme Bewegungen eingestellt sind.
- Wir wollen alle gesellschaftlichen Bereiche und Debatten mitgestalten.
Als NDO knüpfen wir an die jahrzehntelange starke Arbeit von
Migrant*innennselbstorganisationen an. Sie sind unsere Mütter und Väter. Ohne
SIE gäbe es UNS nicht.
Mit Veranstaltungen wie dieser, Policy Briefs, Gremienarbeit wollen wir auf unsere
Themen aufmerksam machen und auch mal kreativ verstören.
Heute wollen wir aber mit Ihnen gemeinsam die Gründung der Geschäftsstelle der
NDO kreativ feiern und konstruktiv diskutieren. Dabei geht es um ein elementares
Thema: Die Förderpolitik von MSO/NDO.
Hier in diesem Policy Brief haben wir die wichtigsten Punkte zusammengefasst.
Im Kern geht es darum Mindeststandards für eine notwendige Infrastruktur
abzusichern. Um den Interessen und Rechte von Marginalisierten im politischen
Diskurs Gehör zu verschaffen.
Die finanziellen Rahmenbedingungen der MSO und NDO sind bis heute prekär
geblieben. Die Organisationen finanzieren sich vorwiegend durch zeitlich
befristete Projektgelder. Die Geschäftsstellen werden größtenteils ehrenamtlich
erfüllt.
Die Selbstorganisationen sind aber für Verwaltungen und Politik mittlerweile ein
Schlüssel zum Erfolg. Ihre Mitarbeiter*innen sind gut vernetzt und publizieren als
Expert*innen Sachberichte, Studien und Expertisen.
Trotz starker Nachfrage durch Politik, Wirtschaft ist ein Umdenken in der
Förderpolitik von MSO und NDO kaum erfolgt und damit längst überfällig.
Es besteht Handlungsbedarf. Und eines noch: Beim Aufbau einer neuen
Förderpolitik dürfen MSO und NDO natürlich nicht fehlen. Sie müssen mit am
Tische sitzen. Ohne uns geht’s nicht.
In diesem Sinne freue ich mich auf die anschließende Diskussion. Bevor ich aber
das Wort Herman Nehls vom DGB gleich übergebe. Möchte ich mich bedanken.
Bedanken bei den Neuen Deutschen Medienmacher, die uns so toll unterstützt
haben beim Aufbau der Geschäftsstelle. Bei der Stiftung Mercator und bei ver.di –
GewerkschaftsPolitische Bildung. Bei unserer Steuerungsgruppe und den
Sprecher*innen und vor allem bei meinem Team! Und damit Sie wissen, wer alles
in der Geschäftsstelle sitzt, möchte ich alle kurz nach vorne bitten: Meral, Abida,
Dominique, Melanie und Reyhan.
Einen herzlichen Dank an Euch!!