4 Fragen an: Hamze Bytyci, Vorstandsmitglied bei RomaTrial e.V

Am 16. 12. 1942 ordnete der Reichsführer SS und Chef der Deutschen Polizei Himmler die Deportation von Sinti und Roma in das Vernichtungslager Auschwitz an. Wir erinnern an die Opfer des sogenannten "Auschwitz-Erlasses" und bedanken uns für das Gespräch mit Hamze Bytyci von RomaTrial e.V.

1. Was bedeutet der heutige Tag für Dich?

Es ist ein Tag an dem die Banalität des Bösen, ganz nach Hannah Arendt, den Höhepunkt erreichte. Mit dem sogenannten "Auschwitz-Erlass" ordnete am 16. Dezember 1942 der Reichsführer SS und Chef der Deutschen Polizei Himmler die reichsweite Deportation von Sinti und Roma in das Vernichtungslager Auschwitz an. Dieses Stück Papier kostete Dutzende Tausend Menschen das Leben. Die Verantwortlichen haben dann ja „nur“ ihre Arbeit gemacht, sind „nur“ den Güterzug gefahren, haben „nur“ auf den Zaun aufgepasst, „nur“ im Krematorium geheizt.

 

2. Welche Relevanz hat der 16.12. und was muss sich noch tun?

Wir dürfen nicht vergessen, dass die staatliche Verfolgung von Roma und Sinti nicht am 16. Dezember 1942 begonnen hat und dass sie 1945 nicht zu Ende war. Nicht nur in Berlin erfasst die Polizei auch heute weiterhin die Zugehörigkeit zu unserer Minderheit und führt damit die „Z-Listen“ fort. Das ist, auch angesichts des Verdachts auf enge Verbindungen zwischen Teilen der Polizei und Rechtsradikalen, erschreckend und kann wieder lebensbedrohlich sein.

 

3. RomaTrial engagiert sich gegen Antiziganismus. Was macht Ihr genau? 

Wir arbeiten zugleich am Querschnitt der Kunst und Kultur, der Bildung, Politik und Menschenrechte. In Berlin kämpfen wir für eine bessere politische Partizipation von Roma und Sinti in Form eines Roma- und Sinti-Beirats. Zugleich luden wir die zuständigen Politiker*innen zu unserem Roma-Filmfestival AKE DIKHEA? ein, dessen dritte Ausgabe letzte Woche zu Ende ging. Heute fahren wir nach Düsseldorf, wo wir einen Sensibilisierungs-Workshop für die Öffentlichkeit mit anschließendem Konzert der britischen Romni Riah Knight organisieren.

 

4. Was erwartet Ihr von der Gesellschaft und was fordert Ihr von der Politik?

Wir erwarten Dinge, die noch vor Kurzem selbstverständlich schienen: Die Wahrung der Menschenwürde zum Beispiel und dass sich die Medien an den Pressekodex halten. Die Politik muss den Antiziganismus endlich ernsthaft bekämpfen, so wie es beim Antisemitismus der Fall ist. Wenn dann bspw. Roma-Kinder nicht mehr an der Einschulung gehindert oder in die letzte Reihe gesetzt werden, werden sich viele „Bildungsprobleme“ wie von selbst lösen. Das Gleiche gilt für alle anderen Lebensbereiche.

 

Hamze Bytyci: „Bereits als Achtjähriger erlebte ich 1990 Weihnachten im Kirchenasyl in Tübingen, als meine Familie gegen die eigene Abschiebung kämpfte. Flucht, Migration und Menschenrechte sind dadurch automatisch mein Lebensthema geworden.“