Ein Jahr nach dem Mord an Walter Lübcke: Hass frühzeitiger bekämpfen

Vor einem Jahr, in der Nacht zum 2. Juni 2019, wurde der Kasseler Regierungspräsident Walter Lübcke auf seiner Terrasse erschossen. Die Tat glich einer Hinrichtung und markiert eine Zäsur in der Geschichte der Bundesrepublik: es war der erste rechtsextreme Mord an einem deutschen Politiker und es war ein Angriff auf die offene Gesellschaft.

Bei den mutmaßlichen Tätern handelt es sich um notorische Neonazis, die den Sicherheitsbehörden einschlägig bekannt waren: einer von ihnen fiel wiederholt durch schwerste Gewalttaten auf, der andere war ein justizbekannter Scharfmacher, der trotz Warnungen vom Verfassungsschutz eine behördliche Erlaubnis zum Schusswaffenbesitz hatte. Wir fragen uns: wie viele davon gibt es noch? Hätte der Mord verhindert werden können, wenn Sicherheitsbehörden Rechtsextremismus prioritär behandelt hätten? Und werden die Strukturen hinter solchen Fällen gänzlich aufgedeckt? Der Verlauf des NSU-Prozesses lässt daran zweifeln.

Bei ihrem mutmaßlichen Mord waren die zwei Angeklagten jedenfalls nicht allein - hinter ihnen standen ideologische Brandstifter*innen, die eine verbale Pogromstimmung gegen Walter Lübcke geschürt haben. Das Klima rechten Hasses, der dem hessischen CDU-Politiker vor einem Jahr das Leben kostete, hat sich bedrohlich ausgebreitet. Das erfahren vor allem People of Color und Schwarze Menschen, die vermehrt Übergriffen und rassistischen Anfeindungen ausgesetzt sind. Es ist gut, dass die Bundesregierung kürzlich einen Kabinettsausschuss gegen Rechtsextremismus und Rassismus einberufen und klargestellt hat, dass es sich dabei um die größte Bedrohungen für die Demokratie in Deutschland handelt. Doch wir erwarten mehr als Symbolpolitik. 

Unsere 3 Forderungen:

  • Das Kabinett ist komplett weiß, hier finden sich keine Menschen, die selbst von Rassismus betroffen sind. Umso wichtiger ist es, dass der Ausschuss Perspektiven von Migrant*innen, People of Color und Schwarzen Menschen in allen Phasen einbezieht. 
  • Hass muss frühzeitiger bekämpft werden als bisher. Wir brauchen ein konsequentes Vorgehen gegen hetzerische Inhalte im Netz und im realen Leben – mit strafrechtlicher Verfolgung.
  • Sicherheitspolitik allein reicht nicht: Die Bundesregierung muss Gesellschaftspolitik stärken und das Engagement gegen Rechtsextremismus und Rassismus fördern, zum Beispiel mit einem Demokratiefördergesetz und einer Abgabenordnung, die dieses Engagement ausdrücklich als gemeinnützig anerkennt. Die Zivilgesellschaft und der Staat müssen hier geschlossen zusammenhalten. 

Zu den ndo: Das postmigrantische Netzwerk "neue deutsche organisationen" ist ein Zusammenschluss von 120 Initiativen aus ganz Deutschland, die sich für Vielfalt und gegen Rassismus engagieren. Die Geschäftsstelle wird gefördert durch die Stiftung Mercator. 

Pressekontakt: medien  neue-deutsche-organisationen.de

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