Wir brauchen einen Masterplan Rechtsextrem­ismus und eine verlässliche Demokratie­förderung

Der Anschlag in Halle verdeutlicht einmal mehr wie dringend es ist, dass die Bundespolitik der Gefahr durch Rechtsextremismus etwas entgegensetzt. Wie unsouverän sie bei dem Thema ist, zeigt sich u. a. beim Umgang mit dem Förderprogramm „Demokratie leben!“.

In Halle hat ein antisemitischer und rassistischer Anschlag stattgefunden, der zwei Tote und mehrere Verletzte zur Folge hat. Die schreckliche Tat verdeutlicht, wie gefährlich sich ein geschlossenes, rechtsextremes Weltbild auswirken kann. „Es ist sehr irritierend, wenn sich Politiker*innen überrascht und schockiert zeigen und von einem ‚Alarmzeichen’ sprechen“, sagt Ferda Ataman, Sprecherin der neuen deutschen organisationen, „seit vielen Jahren weisen Juden und Jüdinnen, Muslim*innen, Schwarze Menschen, People of Color und andere Engagierte im Bereich Extremismus darauf hin, wie gefährlich die Lage im Land ist.“

Umfragen zeigen, dass 80 Prozent der Bevölkerung den Rechtsextremismus als große Bedrohung in Deutschland ansehen. „Es ist höchste Zeit, dass die Bundesregierung einen Masterplan zur Bekämpfung von Rechtsextremismus unter Beteiligung von Zivilgesellschaft, Wissenschaft und Sicherheitsbehörden erarbeitet“, sagt Farhad Dilmaghani vom Verein DeutschPlus. „Wir verstehen nicht, wie ein ‚Masterplan Migration’ in wenigen Wochen im Bundesinnenministerium entstehen kann, während ein sehr viel höherer Problemdruck vom Rechtsextremismus ausgeht.“

Die Meldung aus Halle kam etwa zur gleichen Zeit, in der bekannt wurde, dass das Förderprogramm „Demokratie leben! – Aktiv gegen Rechtsextremismus, Gewalt und Menschenfeindlichkeit“ bis zum Ende der Förderperiode 2024 gekürzt werden soll. Schon ab 2020 werden die meisten bisherigen Modellprojekte nicht weitergefördert. Die meisten Initiativen von Schwarzen Menschen und People of Color (BPoC) in West- und Ostdeutschland haben Absagen für ihre Projektanträge erhalten. Dabei ist die Stärkung von Akteur*innen der diversitätsorientierten Zivilgesellschaft wichtiger denn je. Aus unserer Sicht kommt das einer Kapitulation gegenüber Rechtsradikalen gleich, die seit Jahren versuchen, das Förderprogramm zu diskreditieren.

Die neuen deutschen organisationen und über 20 weitere NGOs von BPoCs haben einen Aufruf unterzeichnet (http://www.migrationsrat.de/demokratie-leben/) und fordern:

● eine Steigerung der Mittel für das Förderprogramm „Demokratie  leben!“ in den anstehenden Haushaltsnachverhandlungen, konkret auf 200 Mio. Euro pro Jahr bis einschließlich 2024,

● die Einführung eines Demokratiefördergesetzes bis Ende der Legislaturperiode, das die Arbeit von Projekten und Initiativen langfristig absichert und verlässliche Strukturen schafft,

● eine explizite Förderung von Empowerment-Projekten von und für Schwarze Menschen, Sinti und Roma, Migrant*innenenorganisationen und andere Initiativen von Menschen mit Rassismuserfahrung, deren zivilgesellschaftliches Engagement besonders viel Kraft braucht und geschützte Räume erfordert. Wir sind keine Service-Einrichtungen für „die Mehrheitsgesellschaft“.