"Bomben diskriminieren nicht." Im Gespräch mit Amal Abbass von tubman.network

Am 31. August 2022 endete der Schutz für Drittstaatsangehörige aus der Ukraine, die nicht unter den Schutz des §24 AsylG fielen oder eine andere Aufenthaltserlaubnis erhalten konnten. Die bundesweit geltende sog. Ukraine-Aufenthalts-Übergangsverordnung lief ohne Verlängerung oder vergleichbaren Ersatz aus. Wir sprachen mit Amal Abbass vom tubman.network über die Arbeit des Netzwerks, die Übergangsregelung, die Lage von drittstaatsangehörigen BIPoC Geflüchteten und die mangelnde mediale Berichterstattung zur Nichtverlängerung.

 

Im Zuge des völkerrechtswidrigen Angriffskrieges gegen die Ukraine wurde dieses Jahr das tubman.network gegründet. Was hat euch zur Gründung bewegt?

Das tubman.network ist ein Bündnis Schwarzer Individuen, Organisationen und Unternehmen. Es wurde in verschiedenen Meetings gegründet, die in den letzten Februartagen 2022 stattfanden. Viele von uns erreichten privat sehr viele Hilferufe von Menschen aus der Ukraine. Wir hörten schockierende Berichte über die rassistische Behandlung von Betroffenen. Menschen wurde verwehrt überhaupt in Sicherheit zu fliehen. Von manchen, vor allem von Schwarzen Menschen, wurden hohe Geldsummen dafür verlangt, in die Züge steigen zu dürfen. Staatliche Verantwortliche waren hierzu nicht erreichbar und Handlungsmaßnahmen blieben aus. In den ersten Meetings in unserem Kolleg*innenkreis Schwarzer Gemeinschaften war für uns daher schnell klar, dass wir uns zu einem Bündnis zusammenschließen würden. Wir haben direkt eine große Sammelaktion organisiert. Busse fuhren zu den Betroffenen vor Ort, um sie zu beraten und mit Notwendigkeiten auszustatten. Kurz darauf kamen die ersten Menschen bei uns an. Zunächst rechneten wir mit nur 6 - 12 Personen, doch kurz über lang kamen jeden Tag hundert verletzte, traumatisierte, hungrige Menschen an. Zu der Zeit waren die Temperaturen, vor allem nachts, gefährlich, gerade für Menschen, die so abgeschwächt waren. Daher mussten wir eine 24-Stunden Operation ins Leben rufen. Von dem Augenblick an hat unsere Arbeit nicht mehr aufgehört.      
 

Wie sieht eure Arbeit seitdem konkret aus? 

Seit wir unsere Arbeit aufgenommen haben, ist unter vielen Schwarzen Menschen ein starkes Vertrauensverhältnis zu uns entstanden. Bei Fragen um z.B. Aufenthalt, Jobsuche, Stipendien, Deutschlernen oder Kinderbetreuung ist das tubman.network für viele Menschen die Anlaufstelle. Diesen großen Bedarf an Unterstützung zu bewältigen, gelingt uns nur durch die Netzwerkfunktion von tubman.network und der großen Einsatzbereitschaft Freiwilliger zu bewältigen. Mittlerweile arbeiten wir mit vielen BIPoC und weißen Kooperationspartner*innen zusammen. Um hierbei Spannungen zu vermeiden, haben wir gemeinsam mit Bantu e.V. und AfricAvenir e.V. Parameter entwickelt um unsere Partner*innen rassismuskritisch zu sensibilisieren. Die Arbeit im Rahmen unserer Netzwerkstruktur hat sehr gute Resultate gebracht. So haben wir inzwischen um die 3000 Schlafplätze vermittelt und versorgen täglich rund 200 Menschen mit Lebensmitteln. Zusammen mit unseren Netzwerkpartner*innen bieten wir juristische Beratung, medizinische Versorgung und Kinderbetreuung an. Die ständige Anwesenheit von spielenden Kindern erfahren viele als heilsam. Gleichzeitig sind die Neuankömmlinge auch positive Vorbilder und Bezugspersonen.  Wir arbeiten daran, diese gut mit Schwarzen Communities in Deutschland zu vernetzen. Das ist ein sehr schöner und spannender Prozess, wo gerade im zwischenmenschlichen Bereich Freundschaften und kollegiale Partnerschaften entstehen, Menschen sich im Netzwerk mit einbringen oder einander unterstützen.

 

Was sind eure Ziele als Netzwerkorganisation?

Das tubman.network steht nicht nur für die Zusammenarbeit mit aus der Ukraine geflüchteten Menschen und Menschen afrikanischer Herkunft, sondern mit allen Menschen, die aus Kriegs- oder Konfliktsituationen flüchten. Wir machen keinen Unterschied, aus welcher Kriegssituation Menschen kommen, denn es gibt viele Kontexte, warum Menschen gezwungen werden, zu flüchten. Damit haben sich auch Menschen bei uns mit verschiedensten medizinischen, juristischen und wohnungsbezogenen Fragen gemeldet, die aus anderen Umständen kommen.

Die rassistische Behandlung, Missachtung ihrer Menschenrechte und Diskriminierung, die nicht-weiße, vor allem Schwarze, Geflüchtete aus der Ukraine erfahren, zeigt wieder, dass selbst in einer Angriffskriegssituation Menschen von strukturellem Rassismus nicht verschont bleiben. Wir setzen uns für gleiche Rechte für alle ein und wollen gemeinsam allen ermöglichen, tägliche Rassismus- und Diskriminierungserfahrungen hier in Deutschland zu bewältigen. Langfristig ist unser Ziel auch, Safe Spaces für Indigenous, Roma, Sinti, People of Color und Schwarze zur Verfügung zu stellen.

 

Vor welchen Herausforderungen steht ihr in eurer Arbeit? 

Wir haben viel zu wenige Ressourcen. Gerade auch der Retraumatisierungseffekt und der Umgang damit sind sehr herausfordernd. Die täglich vorfallenden traumatischen Erlebnisse anzuhören ist eine sehr schwere Arbeit, besonders wenn es kaum Zeit gibt, sie zu verarbeiten. Wir brauchen daher viel mehr finanzielle Ressourcen um Mitarbeiter*innen effektiv stützen und schützen zu können. Darüber hinaus sind wir dabei, unsere aktuellen Räumlichkeiten zu verlieren. Trotz der anfänglichen Bereitschaft, uns Räumlichkeiten zur Verfügung zu stellen, wurde eine längerfristige Absprache nun ausgeschlossen. Unserer Organisation wurden finanzielle Strafen in Aussicht gestellt, sollten die Räumlichkeiten nicht zum Fristende verlassen werden. Dabei wurden uns keine Alternativen angeboten. Das ist ein Stressfaktor, der unsere Arbeit erschwert und für Unmut sorgt. Wir arbeiten im Interesse der Stadt, versuchen die Ungerechtigkeiten, die wir und Betroffene erfahren, friedlich zu lösen, werden aber selber als Schwarze Organisation auf solche Weise behandelt.

 

Euer Fokus liegt also im Moment auf der Unterstützung von Drittstaatsagenhörigen aus der Ukraine. Wie sieht die Lage für sie derzeit aus?  

In Berlin, Hamburg und München sind Fiktionsbescheinigungen für den Zeitraum von 6 Monaten für alle möglich, die es geschafft haben, sich mit einer Adresse vor dem 31.8. anzumelden oder im Fall von Neuankömmlingen innerhalb einer Periode von 3 Monaten. Wir haben natürlich Lobbyarbeit betrieben, dass alle, die aus Kriegen flüchten in § 24 AsylG aufgenommen werden. Eine Gleichbehandlung aller Betroffenen erzwungener Migration bleibt aber noch immer aus. Diese Unterscheidung nach Geflüchteten erster, zweiter und dritter Klasse besteht weiterhin fort. Bundesweit. In diesem Sinn geht die Lobbyarbeit für uns weiter. Für Menschen, die in der Ukraine jahrelang 10, 15 Jahre ihr Leben aufgebaut haben, ist es überhaupt keine Frage, in ihr Herkunftsland zurückzukehren. Mit diesen Regelungen haben sie die Chance, den Schutz von §24 zu bekommen. Der langfristige Aufenthalt in der Ukraine muss aber bewiesen werden können. In Bezug auf Studierende wurde in den drei Städten mitgeteilt, dass, wenn der Antrag abgewiesen wurde, trotzdem sechs Monate Fiktionsbescheid ausgestellt werden können. Studierende haben so noch die Chance, Deutsch zu lernen und sich für Studium und/oder qualifizierte Arbeit zu bewerben oder durch ehrenamtliche Mitarbeit bei deutschen NGOs ihren Beitrag in der Gesellschaft zu leisten, um damit einen Aufenthaltstitel zu erwerben. Ich gehe davon aus, dass gerade Menschen, die schon Qualifikationen haben, sich für qualifizierte Arbeit bewerben können. In vielen anderen Städten haben die Menschen keine Chance mehr diese Möglichkeiten wahrzunehmen, weil sie bereits aufgefordert wurden, Deutschland zu verlassen. Wenn man nicht in der Lage ist, die hohen Anforderungen für einen Aufenthaltstitel zu erfüllen, heißt es also ‘bye bye Deutschland’. 

 

Was heißt das für Menschen, die nun zur Ausreise aufgefordert werden?

Für Viele ist die Ausweisung aus Deutschland eine schreckliche Nachricht. Sie ziehen nach Europa oder Nachbarländer und zahlen hier viel Geld, um in ihre Zukunft zu investieren. Eine Zukunft, die oftmals verbunden ist mit der Zukunftsperspektive einer ganzen Gemeinschaft im Herkunftsland, die ständig unterstützt wird. Das sind hoffnungsvolle, talentierte Menschen, die dort zurückerwartet werden mit relevanten Qualifikationen, um Infrastruktur, wie z.B. Kliniken zu bauen, oder die schon immer Geld schicken mussten, um Kinder zur Schule zu schicken und medizinische Behandlungen für zukünftige Generationen zu bezahlen. Wenn jemand ohne Qualifikationen wieder nach Hause kommt und diese auch dort nicht erworben werden können, hat das langjährige Konsequenzen. Wir finden es nicht akzeptabel, dass die Menschen abgeschoben werden. Deutschland hat schließlich auch eine aus seiner Kolonialgeschichte gewachsene Verantwortung. Für uns heißt das, es braucht weiterhin eine politische Lobby, die bundesweite Veränderungen anstrengt.

 

Du hast schon erwähnt, dass in Städten wie Berlin, Hamburg und München die Übergangsregelung auf Landesebene verlängert wurde. Inwiefern hat dabei die Arbeit von tubman.network eine Rolle gespielt?

Wir haben strategische Netzwerkpartner*innen in verschiedenen Städten, wie München, Frankfurt, Hamburg. Gerade in Großstädten wie diesen ist unsere Lobby am stärksten. Die Verlängerungen um 6 Monate in Berlin, Hamburg und München sind das Ergebnis harter politischer Kämpfe hinter den Kulissen. Dass wir viele Menschen als Fachpersonal an Arbeitgeber*innen und Jobcenters vermittelt haben, hat einen großen Beitrag dazu geleistet. Die Neuankömmlinge sind motiviert, sich gesellschaftlich einzubringen und brauchen die Sicherheit eines langfristigen Aufenthaltstitels, sodass es ein Puzzle ist, das gut zusammenpasst. In der Kommunikation war es daher sehr förderlich, das Klischee ‘armseliger’ Refugees zu vermeiden. Vielmehr setzten wir auf das Bild einer Bildungselite, gut ausgebildeter Menschen mit viel Potential, die in Deutschland als dringend benötigtes Fachpersonal sofort einsetzbar sind. Diese Art Bild Forming ist im Bereich erzwungener Migration wichtig, um negativen stereotypen Bildern entgegenzuwirken. Es ist dann schön, die ersten Vorläufer in Krankenhäusern oder in IT-Firmen arbeiten zu sehen. Das sind Erfolgserlebnisse. In diesem Sinne bin ich stolz, dass wir mit unserer Arbeit auch politischen Erfolg haben. In anderen Städten sieht die Situation sehr viel schlimmer aus. Dort haben wir natürlich auch das Anliegen, so viele Menschen wie möglich zu unterstützen.

 

Reichen 6 Monate überhaupt, um die Voraussetzungen für einen geregelten Aufenthalt zu erfüllen, wenn man aus einem Kriegsgebiet kommt?

Wenn man aus einem Kriegsgebiet kommt, reichen 6 Monate nicht, um alle Anforderungen für einen geregelten Aufenthalt zu erfüllen. In dieser Zeit z.B. auf ein Deutsch C1-Level zu kommen, damit eine Bewerbung an deutschen Unis möglich ist, ist eine unglaubliche Leistung. Manche Betroffenen schaffen das. Wir sind natürlich sehr stolz, wenn ein solcher Fortschritt gemacht wird. Die Realität ist aber, dass einige Menschen nicht die Mittel hatten, unmittelbar nach Beginn des Angriffskrieges die Ukraine schnell zu verlassen. Wer dann durch Vergewaltigung und andere Kriegsverletzungen traumatisiert ist, kann sich nicht diesem Leistungsdruck hingeben. Hier braucht es einen differenzierten Umgang mit den Menschen durch die Behörden und in den rechtlichen Rahmenbedingungen. Für Menschen mit verlorenen oder durch ukrainische Behörden noch nicht ausgestellten Dokumenten ist der Weg zu ihren Menschen- und Aufenthaltsrechten langfristig auch mit sehr großen Unsicherheiten bepflastert.

 

Der Bund scheint sich weiterhin zu scheuen, eine bundesweit geltende Regelung auf den Weg zu bringen. Welche Konsequenzen wird das langfristig haben?

Die Nichtverlängerung der Übergangsregelung auf Bundesebene hat auf jeden Fall zur Folge, dass eine Situation entsteht, in der viele verzweifelte Menschen entweder in Asyl oder Illegalität mehr oder weniger gezwungen werden. Gleichzeitig fallen viele in ihrer Verzweiflung Ausbeutungssituationen zum Opfer. Abschiebungen sind natürlich auch die Konsequenz. Viele, sehr gute, qualifizierte Fachkräfte, sind bereits ‘freiwillig’ in andere Länder gegangen, weil sie dort zum Teil besser behandelt werden. Deutschland verliert damit dringend benötigte Fachkräfte. Gleichzeitig zeigt die kollektive Erfahrung der Gemeinschaft, als auch meine persönliche aus privaten und beruflichen Kontexten ganz klar: struktureller Rassismus führt zu regelmäßigen Suiziden bis hin zu regelmäßiger psychotherapeutischer Behandlung. Dort wird man mit einem Gesundheitssystem konfrontiert, wo, außer in privaten Initiativen und mit vereinzelten Schwarzen Therapeut*innen, die im System arbeiten, kaum Safer Spaces existieren, die einen gesundheitsfördernden Effekt erlauben würden. Als Schwarze Menschen bewegen wir uns von der Kita zur Schule, der Nachbarschaft, den Jugendclubs, auf der Arbeit, bis hin zur Psychiatrie, in überwiegend weißen Kontexten, in der wir immer wieder re-traumatisiert werden. Damit gelingt es nur schwer, wenn überhaupt, gesund zu bleiben und zu werden.

 

Wie steht es um das Vertrauen Betroffener, sowie euer Vertrauen in die Behörden und Politik?

Für das tubman.network ist es ein sehr differenziertes Bild. Es gibt ein großes Spektrum behördlicher Mitarbeiter*innen, die es gut meinen und ihre Arbeit gewissenhaft angehen. Oftmals haben sie aber nicht die Mittel oder das Wissen, um Lösungsansätze anzutragen. Sie sind durch das System und seine Grenzen gefangen. Es gibt aber Mitarbeiter*innen, die die Lebensrealität anderer nicht verstehen und dabei verachtend und feindlich auftreten. Solche fordern dann z.B., dass Menschen ihre Papiere aus Kiew holen. Das geht hin bis zu Leuten, die Reisepässe einziehen, die Polizei rufen und mit komplett absurden Unterstellungen Menschen kriminalisieren. Von dieser Art Erfahrung bekommen wir täglich zu hören. Auch bei der Einreise nach Deutschland wurden viele Geflüchtete rassistisch behandelt und diskriminiert. In Frankfurt beispielsweise wurden Menschen von der Bundespolizei aus den Zügen geholt und in einem großen Zentrum 24 Stunden festgehalten, um sie nackt auf Drogen abzusuchen. Es ist unglaublich, dass es nach wie vor keine Folgen für die verantwortlichen Täter solcher Aktionen gibt. Was sind jetzt die Konsequenzen für Leute, die Menschen in ihrer Ehre und ihrem Sein auf so eine extreme Art verletzen? In diesem Sinne ist in der Gemeinschaft das Vertrauen zu Behörden enorm geschädigt. Man kann nicht mit ruhigem Gewissen jemanden allein zu einer Behörde schicken, denn jeden Tag passieren Sachen, die Menschen in ihren Rechten verletzen.

 

In Berlin, Bremen und Hamburg wurde empfohlen, dass Drittstaatsangehörige vor dem 31.08. bei der zuständigen Ausländerbehörde eine Aufenthaltserlaubnis beantragen. In Berlin z.B. sollte man sich bis zum 31. August dafür registrieren. Was sind eure Erfahrungen mit Betroffenen dazu?

In den Tagen vor Ablauf der Übergangsregelung haben wir eine Fülle an ernüchternden Erfahrungen mit den Betroffenen gemacht. Gerade in den letzten Tagen der Registrierung in Berlin haben wir immer wieder erlebt, wie die Registrierungsstelle in Berlin-Tegel Menschen abwies und teilweise nachlässig den ukrainischen Aufenthaltsstatus prüfte. Hierfür ist die Behörde aber auch nicht zuständig. Bei der Verweigerung der Registrierung wäre ganzen Familien fast unglaubliches Unrecht angetan worden. Fast, weil sich Betroffene in den uns bekannten Fällen noch an uns gewandt haben und wir sie soweit unterstützen konnten, dass sie registriert werden konnten. Diese Registrierungen sind die Grundlage für die Beantragung eines Aufenthaltstitels. Tegel ist damit nicht befugt, Fälle zu prüfen und abzuweisen. Es ist Aufgabe des Landesamtes für Einwanderung und Asyl, eine eingehende Prüfung durchzuführen. Wie viele Fälle ohne die Unterstützung des tubman.network auf diese Art und Weise abgewiesen worden sind, wissen wir nicht. Die Anzahl der Menschen, die jetzt keinen Aufenthaltstitel mehr haben, ist mit Sicherheit nicht nur in Berlin erhöht. Das macht die für Betroffene ohnehin belastende Situation natürlich noch viel schwieriger: Angst und Stress nehmen zu, die gesundheitliche und psychische Versorgung ist nicht geregelt, der Zugang zu Nahrungsmitteln unsicher. Sie haben nur die Möglichkeit, sich bei uns zu melden – wenn sie von uns gehört haben. Schließlich hat das tubman.network nicht überall Präsenz und es ist auch nicht so, dass Behörden auf uns verweisen würden. Wir müssen uns alle die Frage stellen, wie viele Menschen leben in der Misere, weil sie nicht zufällig im richtigen Moment Hilfestellungen bekamen? Wie viele konnten sich nicht rechtzeitig registrieren, weil ihnen eine Meldeadresse fehlte?

 

29.000 Menschen sind von der Übergangsregelung betroffen gewesen und doch gab es keine flächendeckende mediale Aufmerksamkeit für das Thema. Warum denkt ihr, wurde nicht mehr über die auslaufende Übergangsregelung berichtet?

Ich kann mir rational nicht erklären, warum so wenig in den Medien zu den Übergangsregelungen berichtet wurde. Wenn eine solche Deadline festgelegt wird, muss sie doch in allen Medien kommuniziert werden. Bei einer harten Deadline besteht die Pflicht, sicherzustellen, dass diese Nachricht alle Betroffenen erreicht – und zwar in Sprachen, die diese verstehen. Eine solche Öffentlichkeit wurde aber nicht proaktiv generiert. 
Im Hinblick auf die Registrierungsfrist gab es auch viel zu wenig Zeit, diese breit zu kommunizieren. Gerade in der Sommerferienzeit ist das nur schwer möglich. Dass auch diese Frist so hart war, finde ich daher inakzeptabel. Hinzu kommt auch ein gesellschaftliches und politisches Spannungsfeld in dem rechtsextreme und konservative Kräfte Stimmung gegen BIPoC Menschen machen. Gleichzeitig sind deutsche Behörden durch einen Mangel an Arbeitskräften überlastet. Mitarbeiter*innen sind teilweise an den Grenzen ihrer Kapazität und haben nicht die Möglichkeit, Betroffene eingehend zu informieren. Es ist daher nicht begreiflich, warum nicht ganz proaktiv mit zivilgesellschaftlichen Organisationen zusammengearbeitet wird. Als Schwarze Gemeinschaft haben wir bereits einen bemerkenswerten Unterschied machen können. Es könnte noch so viel mehr bewerkstelligt werden, wenn von staatlicher Seite aktiv auf eine Zusammenarbeit gesetzt werden würde.    
 

Was sind eure Forderungen als Organisation?

Wir fordern, dass § 24 AsylG alle aus Kriegssituationen Geflüchteten umfasst, die nachweislich in solchen Gebieten ihr Leben gestaltet haben. Es darf keinen Unterschied geben, ob man temporären oder permanenten Aufenthalt hatte. Bomben diskriminieren nicht. Sie fliegen und töten. Auch beim Einsatz von Vergewaltigung als Kriegswaffe, wird nicht diskriminiert. Warum wird dann nicht allen Menschen der gleiche Schutz und die gleiche Chance gegeben, ehrlich zu arbeiten, die Sprache zu erlernen und sich einzubringen?

Wir fordern auch öffentliche Strukturen, die Safer Spaces und ein allgemeines gesellschaftliches Bewusstsein für diese zu fördern und die Folgen von Rassismus innerhalb öffentlicher Strukturen anzuerkennen. Als Gemeinschaft brauchen wir Schutzräume, in denen wir uns treffen können, ohne Sorge zu haben, auch dort Diskriminierungserfahrungen zu machen. Gerade für Kinder und Jugendliche ist das eine extrem wichtige Voraussetzung für eine gesunde Entwicklung, besonders in Bezug auf die eigene Identität und mentale Gesundheit.

 

Vielen Dank für das Gespräch, liebe Amal!

 

Amal Abbass ist Co-Gründerin des tubman.network und arbeitet als Kinder-, Jugend- und Familienpsychotherapeutin in Berlin.