ndo Bundeskongress 2018: Inklusiv 4.0 – Der Plural sind wir.

„Der Plural sind wir“: Unter diesem Motto trafen sich am 9. und 10. März gut 150 Menschen aus Einwandererfamilien im Tagungswerk Jerusalemkirche; Menschen, die sich deutschlandweit für weniger Diskriminierung und mehr Partizipation engagieren. Zum dritten Mal bot ihnen der Bundeskongress der neuen deutschen organisationen (ndo) Gelegenheit zum Erfahrungsaustausch und Weiterdenken.

 

Ein Beitrag von Anna Gyapjas


„Der Plural sind wir“: Unter diesem Motto trafen sich am 9. und 10. März gut 150 Menschen aus Einwandererfamilien im Tagungswerk Jerusalemkirche; Menschen, die sich deutschlandweit für weniger Diskriminierung und mehr Partizipation engagieren. Zum dritten Mal bot ihnen der Bundeskongress der neuen deutschen organisationen (ndo) Gelegenheit zum Erfahrungsaustausch und Weiterdenken. 

 

Vielfalt gehört zum deutschen Alltag. Damit sich das auch auf Führungsebenen und in politischen Entscheidungen widerspiegelt, braucht es vor allem eines: „Wir müssen wieder laut werden!“ konstatierte Ferda Ataman, Sprecherin der ndo in ihrer Eröffnungsrede. Das bedeute auch, auf besorgte Bürger zuzugehen, statt sie abzuschreiben – mit unseren Forderungen und dem, was uns verbindet. Wie das am besten gelingt, wusste Gün Tank, Geschäftsleiterin der ndo: „Bei all unseren ernsten Anliegen dürfen wir nicht unser Lachen vergessen.“ Dafür sorgte nicht zuletzt Comedienne Idil Baydar, die beherzt und leidenschaftlich durch zwei Tage voller Fragezeichen, Debatten und Perspektiven führte.

 

Ernst wurde es am Freitag schon beim Round Table mit Vertretern der Bundeszentrale für politische Bildung, der Stiftung Mercator und des Bundestages: Zur Frage „Wie inklusiv sind wir?“ gab es optimistische, aber auch eher skeptische Ansichten. Winfried Kneip von der Stiftung Mercator etwa verwies auf einen der Gründe, warum Diskriminierung im Bereich Bildung noch stattfindet: „Es fehlt ein Plan für differenzensensibles Unterrichten. Wir brauchen eine andere Lehrkraftausbildung.“

 

So widmeten sich die drei Workshops am Freitag den Instrumenten, die auf dem Weg zu mehr Teilhabe unerlässlich sind: Förderpolitik, Gleichstellungsdaten und Beschwerdestellen. Dass wir das Rad nicht gänzlich neu erfinden müssen, zeigte sich im Workshop „gleich gleich“. Daniel Gyamerah vom Projekt „Vielfalt entscheidet – Diversity in Leadership“ diskutierte, wie Daten erhoben werden müssen, um strukturelle Benachteiligung sichtbar zu machen. Hinsichtlich rassistischer Diskriminierung fiel seine Bestandsaufnahme zwar ernüchternd aus: „Wer nicht gezählt wird, zählt nicht.“ Gyamerah zeigte aber auch auf, wie diese blinden Flecken sich behandeln lassen: mit einem Seitenblick auf die Frauenbewegung, die die Integration von Frauen in Verwaltung und Unternehmen professionalisiert hat und den Fortschritt mit immer neuen Statistiken aufs Korn nimmt.

 

Die Policy Talks waren den Erfahrungen von Ausgrenzung gewidmet. Zum Umgang mit Rechtsextremismus gab es Handlungsempfehlungen von der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus und ReachOut, auch die Spielräume von Betriebsräten und Gewerkschaften wurden debattiert. Zum „Thema Rassismus und Justiz: NSU“ hatte die ndo einen safe space eingerichtet, in dem betroffene Familien ihre Erfahrungen mit insitutionellem Rassismus teilen konnten. Dass Diskriminierung immer mehr Facetten bekommt, je bewusster einem die eigene Mehrfachzugehörigkeit wird, erfuhr man im Vortrag zum Thema Intersektionalität, einer feministischen Theorie, die in Deutschland anlässlich der Kölner Silvesternacht relevant wurde. Deren bottom line laut Stefanie Boulila vom Center for Intersectional Justice „Solidarisierung mit unten, nicht mit oben.“

 

Am Samstag drehte sich alles um Allianzen. Mit einer mitreißenden Rede entflammte die politische Strategin Pam Campos die Besucher*innen des Bundeskongresses, Dutzende filmten mit, als sie verkündete: „Die Zeit für transnationale Solidarität ist Jetzt. Denn unsere Institutionen lassen uns people-of-colour im Stich, und das ist ein weltweites Problem.“ Dieser Status Quo wurde direkt im Anschluss im Panel diskutiert: Journalistin und Dokumentarfilmerin Rokhaya Diallo berichtete vom Rechtsruck in Frankreich. Sheila Mysorekar von den Neuen deutschen Medienmachern mahnte im Hinblick auf Deutschland an: “Wir müssen die schweigende Mehrheit einbinden.“ Kijan Espaghazi vom Institut Neue Schweiz ging d’accord damit. Nur sollten wir nicht auf das Spiel mit Polarisierungen reinfallen. Vielfalt sei kein ausschließlich positives Phänomen. Es ginge darum, sie entsprechend zu gestalten. 

 

 

Und hier die Impressionen vom Bundeskongress. © Judith Affolter