Wir brauchen eine Antidiskriminierungs-Offensive im Gesundheitswesen

Die Bundesregierung muss diskriminierte Menschen besser vor Corona schützen und Ungleichbehandlung im Gesundheitswesen erforschen und beheben!

 

Während der Pandemie zeigt sich erneut: Wer arm und von rassistischer Diskriminierung betroffen ist, ist stärker durch das Virus gefährdet. Die Bundesregierung muss dringender denn je sicherstellen, dass die Auswirkungen von Diskriminierung im Gesundheitswesen erforscht werden und konkrete Maßnahmen gegen die Benachteiligung ergreifen. Das fordern die neuen deutschen organisationen, das Bundesfachnetz Gesundheit und Rassismus und das Netzwerk Black in Medicine in einer gemeinsamen Petition.

Wir sitzen nicht alle im gleichen Pandemie-Boot. Das zeigt auch eine erste Studie des RKI. In der Studie1 spricht das Institut davon, dass Diskriminierungserfahrungen im Gesundheitsbereich und Sprachbarrieren die Impfquote beeinflussen. Zu einem ähnlichen Schluss kommt eine Studie der Antidiskriminierungsstelle des Bundes.2 Untersuchungen in den USA, Kanada und Großbritannien belegen bereits, dass sich Diskriminierung auch in der Gesundheitsversorgung zeigt. Dort sind Schwarze Menschen und People of Color überproportional oft am Corona-Virus erkrankt und gestorben.3

Es gibt Hinweise darauf, dass das in Deutschland auch so ist.1,2,4

Noch sind die Wissenslücken zu den Auswirkungen von Klassismus und Rassismus im deutschen Gesundheitssystem zu groß. Diese gilt es zu schließen, denn nur wer die konkreten Probleme im Gesundheitswesen kennt, kann sie auch beheben. Ziel muss sein, dass alle Menschen einen diskriminierungsfreien Zugang zur Gesundheitsversorgung erhalten. 

 

Petitionsstart: „Diskriminierte Gruppen brauchen besseren Schutz vor Corona!“

Die neuen deutschen organisationen, das Bundesfachnetz Gesundheit und Rassismus und das Netzwerk Black in Medicine haben eine Petition initiiert. Damit wollen wir auf Wissenslücken und die damit verbundenen Defizite beim Abbau von Diskriminierung im Gesundheitswesen aufmerksam machen und Gegenmaßnahmen erwirken. 

 

Wir fordern:

1. Regelmäßige Untersuchungen zur Diskriminierung einführen

Wie ist die gesundheitliche Situation von diskriminierten Gruppen? Wir fordern das Gesundheitsministerium und das Wissenschaftsministerium auf, regelmäßige Studien durchzuführen, die Aufschluss darüber geben. Entsprechende Maßnahmen können jedoch nur ergriffen werden, wenn die aktuelle Lage und die Probleme bekannt sind.

 

2. Finanzielle Mittel bereitstellen

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach und Bundeswissenschaftsministerin Bettina Stark-Watzinger müssen das Thema auf die Agenda setzen. Dabei geht es nicht um Symbolik: Es müssen notwendige Haushaltsmittel zur Verfügung gestellt werden für die Umsetzung von konkreten Maßnahmen. Dazu zählen in erster Linie 

  • Mittel für Forschung zu Rassismus und Diskriminierung im Gesundheitswesen 
  • Kostenübernahme der medizinischen Versorgung für Menschen ohne Papiere 
  • Mittel zur Förderung von Antidiskriminierung im Gesundheitswesen
  • flächendeckende Übernahme von Dolmetscher*innenkosten im Gesundheitssystem

 

3. Diskriminierungsrelevante Daten erheben

Die Institutionen der Gesundheitsforschung wie das Robert Koch Institut müssen in ihren Bevölkerungsstudien Fragen einbauen und Forschungsprojekte starten, die es ermöglichen, die überproportional negativen Gesundheitsauswirkungen auf diskriminierte Gruppen nachzuvollziehen. Für die Erhebung von Diskriminierungsmerkmalen muss ein Austausch mit Vertreter*innen der jeweiligen Gruppen stattfinden, um sensible Erhebungsmethoden zu garantieren.

Gesundheit ist ein Menschenrecht. Deutschland muss sicherstellen, dass allen Menschen eine gleichwertige Gesundheitsversorgung und soziale Absicherung geboten wird, unabhängig von sozialem Status, Aufenthaltsstatus, Herkunft, Nationalität und Sprache. Die vergangenen zwei Corona-Jahre haben die Defizite im Gesundheitswesen besonders dramatisch gezeigt. Diese Defizite werden auch mit der Pandemie nicht verschwinden. Wir fordern die Bundesregierung dazu auf, das Thema Diskriminierung im Gesundheitswesen auf die Agenda zu setzen und eine Antidiskriminierungs-Offensive im Gesundheitswesen zu starten. Dazu benötigt es langfristige Mittel für Forschung und Praxis – auch über kurzfristige Kampagnen im Kontext der Pandemie hinaus.

 

1 Robert Koch Institut, 3.2.2022: www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Projekte_RKI/covimo_studie.html

2 Susanne Bartig, Dorina Kalkum, Ha Mi Le, Aleksandra Lewicki, 26.7.2021, Diskriminierungsrisiken und Diskriminierungsschutz im Gesundheitswesen – Wissensstand und Forschungsbedarf für die Antidiskriminierungsforschung: www.antidiskriminierungsstelle.de/SharedDocs/aktuelles/DE/2021/20210726_Diskrisiken_Gesundheitswesen.html

The Guardian, 7.4.2020: www.theguardian.com/world/2020/apr/07/bame-groups-hit-harder-covid-19-than-white-people-uk; Weltspiegel, 19.4.2020: www.daserste.de/information/politik-weltgeschehen/weltspiegel/sendung/usa-schwarze-und-corona-100.html

4 Robert Koch Institut, 29.10.2021: www.rki.de/DE/Content/GesundAZ/S/Sozialer_Status_Ungleichheit/Faktenblatt_COVID-19-Sterblichkeit.html

 

Zu den ndo: Das postmigrantische Netzwerk "neue deutsche organisationen" ist ein Zusammenschluss von rund 160 Organisationen und Initiativen aus ganz Deutschland, die sich für Vielfalt und gegen Rassismus einsetzten. 

Die Geschäftsstelle wird gefördert durch die Stiftung Mercator.              

Pressekontakt: medien@neue-deutsche-organisationen.de 

 

Die Pressemitteilung als PDF-Format finden Sie hier.