Zur Quotendebatte in Berlin: Strukturen ändern sich nicht von selbst. Wir brauchen eine Quote für Menschen, die von Rassismus betroffen sind

Die Berliner Senatsverwaltung für Integration plant eine Quote im öffentlichen Dienst für Menschen “mit Migrationsgeschichte” von 35 Prozent. Die neuen deutschen organisationen (ndo) halten das für überfällig und begrüßen den Vorstoß. 

In Berlin leben 3,6 Millionen Menschen, ein Drittel davon hat einen sogenannten Migrationshintergrund. Bei Kindern und Jugendlichen sind es schon fast 50 Prozent. „Trotzdem gibt es noch Behörden und öffentliche Einrichtungen, in denen überwiegend weiße Deutsche arbeiten“, sagt ndo-Vorsitzende Ferda Ataman. „Die bisherigen Maßnahmen, um Diversität zu fördern, wirken nicht genug. Gewachsene Strukturen ändern sich nicht einfach. Es ist Zeit, effektive Instrumente einzuführen, wie eine verbindliche, messbare Quote.“

Strukturelle Ausgrenzung und mangelnde Repräsentation erleben Schwarze Menschen und People of Color in vielen zentralen Bereichen wie Parteien, Behörden, Medien, Wissenschaft oder Kultureinrichtungen. Deshalb muss der Staat beispielhaft vorangehen. Er kann für den öffentlichen Dienst verpflichtende Diversitätsquoten als sogenannte „positive Maßnahme“ einführen, um nach und nach Chancengerechtigkeit für alle Mitglieder der Gesellschaft zu gewährleisten.

Berlin hat 2010 als erstes Bundesland ein „Partizipations- und Integrationsgesetz“ (PartIntG) verabschiedet, allerdings ohne Quote. Es sollte sicherstellen, dass Migrant*innen und ihre Nachkommen gleichberechtigt in allen Bereichen teilhaben können. In einzelnen Bereichen, wie bei Polizeianwärter*innen, konnte so die Vielfalt gesteigert werden. Doch eine Evaluierung des Gesetzes zeigt: Die Regelungen reichen nicht aus, das Gesetz wirkt vor allem symbolisch, in vielen Bereichen hat sich wenig getan.  

Eine Untersuchung von 2018 über Führungskräfte in Berliner Einrichtungen zeigt: nur drei Prozent der Befragten in den Führungsetagen der Berliner Verwaltung sind People of Color oder Schwarze Menschen. 97 Prozent der Befragten sind weiß. Menschen, die aufgrund ihres Namens oder Aussehens als nicht zugehörig wahrgenommen werden, fehlen aber nicht nur in den obersten Chef*innenetagen, sondern auch in den Ebenen darunter. 

Im öffentlichen Dienst in Berlin sind über 200.000 Menschen angestellt. Bei Einstellungen sollen eigentlich nur „Eignung, Befähigung und fachliche Leistung“ eine Rolle spielen. Trotzdem läuft es nicht rein objektiv, wie auch die Benachteiligung von Frauen zeigt. Ohne Quoten wären Frauen im öffentlichen Dienst bis heute kaum in Leitungspositionen zu finden. Daraus lernen heißt, zügig Quoten für Menschen einzuführen, die von rassistischer (und anderer) Diskriminierung betroffen sind. Eine solche Quote kann allerdings nur dann sinnvoll umgesetzt werden, wenn bei der Bewertung von Qualifikationen ein diversitätssensibler Maßstab angewendet wird. Dafür braucht es einen kompetenten Umgang mit Vielfalt in der Verwaltung, wie ihn das „Diversity Landesprogramm“ vorsieht.

Zahlreiche Migrant*innenorganisationen und postmigrantische Initiativen haben vergangenes Jahr in der "Antirassismus-Agenda 2025" ein bundesweites Partizipationsgesetz gefordert, das eine Gleichstellung mit Quoten im öffentlichen Dienst vorsieht. Die ndo schließen sich dieser Forderung mit Nachdruck an und begrüßen den Berliner Vorstoß als ersten Meilenstein.

Zu den ndo: Das postmigrantische Netzwerk "neue deutsche organisationen" ist ein Zusammenschluss von 130 Initiativen aus ganz Deutschland, die sich für Vielfalt und gegen Rassismus engagieren. Die Geschäftsstelle wird gefördert durch die Stiftung Mercator.                   

Pressekontakt: medien  neue-deutsche-organisationen.de 

Die Pressemitteilung als pdf finden Sie hier.