Zwei Jahre nach Hanau und der Hass lebt weiter

Der rassistische Anschlag von Hanau ist zwei Jahre her. Bundesweit wird morgen den Opfern gedacht. Wenn aus dem Erinnern nichts folgt, ist das nicht nur pietätlos, sondern gefährlich. Politiker*innen und Medienmacher*innen stehen in der Pflicht.

Die Angehörigen der Opfer des rassistischen Anschlags in Hanau und ihren Unterstützer*innen haben dafür gesorgt, dass wir uns an die Namen und Gesichter der Opfer von Hanau erinnern. Der 19. Februar 2020 hat sich in das kollektive Gedächtnis dieses Landes eingebrannt. Das haben wir den Angehörigen und Unterstützer*innen zu verdanken. Es ist ein Verdienst, der für Millionen Menschen in diesem Land von unermesslichem Wert ist – für all diejenigen, die wissen, dass der Anschlag von Hanau auch sie gemeint hat. Ein Verdienst für all diejenigen, für die die Rede von der Kontinuität rechten Terrors keine bloße Gedenktags-Floskel, sondern bittere Erfahrung ist.

Wir sind mit den Bildern brennender Asylunterkünfte und applaudierender Anwohner*innen aufgewachsen. Sie haben sich in unser Gedächtnis eingefräst und uns nachhaltig traumatisiert. Auch wenn die Gesellschaft ein kollektives Erinnern an die Taten der blutigen Neunziger vor lauter Vereinigungsfreude nicht nur versäumt, sondern in Teilen aktiv verhindert hat: Wir erinnern uns!

Wir erinnern uns an die NSU-Morde der Nullerjahre. Auch ohne Feierlaune haben Politik und Behörden alles gegen das Erinnern getan. Die Kette ist fortführbar bis in den Januar dieses Jahres, als die Gräber von verstorbenen Muslim*innen in Iserlohn reihenweise geschändet wurden. Und nein, es geht nicht um Einzelfälle. Wir erinnern uns auch an den September 2021, als zum zweiten Mal in der deutschen Nachkriegsgeschichte eine rechtsextreme Partei mit einem zweistelligen Ergebnis in den Bundestag einzog und von „Erleichterung“ die Rede war. „In einem solchen gesellschaftlichen und politischen Klima bedeutet selbstbestimmtes Erinnern der Angehörigen und ihrer Unterstützer*innen Widerstand“, sagt Karim El-Helaifi, Vorstandsvorsitzender der neuen deutschen organisationen.

Morgen, am 19. Februar wird das Erinnern und Gedenken vielen leicht fallen. Solidaritätsbekundungen sind wichtig und richtig. Die Erfahrung zeigt aber, dass diese Solidarität nicht lange halten wird. Nach dem rassistischen Anschlag von Hanau und dem vermeintlichen deutschen Erweckungserlebnis in Sachen Rassismus dauerte es wenige Wochen, bis die längst überfällige Debatte um institutionellen, strukturellen und individuellen Rassismus sowie über Rechtsextremismus in eine obsessive mediale Debatte um vermeintliche „Cancel Culture“ umschlug – sie hält bis heute an.

Menschen, die nicht nur das Erinnern, sondern auch Konsequenzen und reale Veränderungen fordern, und Rassismus und Rechtsextremismus klar benennen und sich dagegen einsetzen, werden als Aktivist*innen gelabelt, als sei das in diesem Zusammhang etwas Schlechtes und unter Verdacht gestellt. Gleichzeitig übernehmen Medien und Politik Narrative geistiger Brandstifter*innen und reproduzieren sie – bewusst oder unbewusst.

Wer sich morgen solidarisch mit den Opfern rassistischer und rechtsextremer Gewalt zeigt und den Rest des Jahres, rechtem und rassistischem Gedankengut Vorschub leistet, sät Hass und düngt den Nährboden, auf dem rassistische Anschläge wie der von Hanau gedeihen.

 

Zu den ndo: Das postmigrantische Netzwerk "neue deutsche organisationen" ist ein Zusammenschluss von rund 160 Organisationen und Initiativen aus ganz Deutschland, die sich für Vielfalt und gegen Rassismus einsetzten.
Die Geschäftsstelle wird gefördert durch die Stiftung Mercator.

Pressekontakt: medien@neue-deutsche-organisationen.de 

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